THE SNOBS
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Chronique de Blend The Horse!

Ein echter Snob ist besser als der Ruf, der ihm in den meisten Fällen anhaftet. Im Unterschied zum Angeber ist er ein vergleichsweise stiller Zeitgenosse und anders als der gemeine Schnösel hat er dünkelhaft zur Schau getragene Abschätzigkeit nicht nötig, auch wenn sie ihm bisweilen versehentlich herausrutscht. Dieser Anflug echter Vornehmheit lässt ihn für viele umso blasierter erscheinen. Der Snob ist wählerisch bei der Frage, welche Orte er aufsucht und mit welchen Personen und Objekten er sich umgibt. Dabei steht ihm aber, anders als dem Geschmäckler, eine solide Auswahl an gangbaren Wegen zur Verfügung, keineswegs ist er nur auf der Suche nach dem immergleichen und schon gekannten. Natürlich sieht er immer fantastisch aus.

Eine Band, die sich wie die beiden Franzosen Mad Rabbit (Gesang und Produktion) und Duck Feeling (sämtliche Instrumente) schlicht The Snobs nennt, hängt so gesehen die Messlatte hoch, und wenn man schon bei den ersten zwei Stücken zahlreiche Reminiszenzen an die unterschiedlichsten Eckdaten der Popgeschichte heraushört, könnte man befürchten, dass die beiden sich in ihren vielen Referenzen heillos verheddern. Das nerdige Namedropping von Seiten des Labels – “a minimalist rhythm section borrowing from Joy Division, Miles Davis and Kraftwerk” oder “a groove halfway between Einstürzende Neubauten and Motown Records” – wirkt dann in seiner respektlosen Beliebigkeit schon wieder so sympathisch, dass man der Sache doch gerne einen Vorschussbonus geben möchte – zumal junge Bands, die sich in der Tradition von Palais Schaumburg sehen, ohnehin zu den Guten zählen. Es empfiehlt sich also, ihr Debüt “Blend the Horse!” unbefangen zu hören.

Hektische Drums verbreiten zu Beginn eine Unruhe, die angenehm kontrolliert bleibt, da sie in einen wunderbar entrückten Synthieteppich gehüllt wird. Auf diesem Fundament strömt Mad Rabbits somnambuler Gesang in den Raum – melancholisch, müde, abgeklärt und durch seinen Hang zum nuscheligen Ennui vor jedem Überschwang gefeit. Der über zehn Minuten lange Opener “Long Winter Evenings” könnte fast zu einem kleinen Minialbum taugen und macht im Verlauf einige Wandlungen durch, sein Stoizismus aber, unter dessen Oberfläche eine versteckte Unruhe waltet, bleibt gewahrt, ganz gleich ob der Sänger zwischendrin rappt oder ob das Zusammenspiel aus Synthies und Drummachine zu einem Pogo hochfährt, wie es seit Plastic Bertrands “Ça Plane pour Moi” keinem Popsong mehr so gut zu Gesicht stand.

“The Low Angle” ist mit seinen roboterhaften Takten und dem mit wenig Melodie auskommenden Sprechgesang Nineties pur und könnte, selbst bei seinem rockigen Schlussteil, in einen imaginären Marvel-Film passen. Mit dem von einem androgynen Falsett gekrönten “Plastic Moon” führt die Reise in entrücktere Gefilde und ein leichtes Sixties-Feeling macht sich breit. Wenn die verzerrten Gitarren und die fast New Metal-artigen Drumparts des nachfolgenden “Cable Car” den Fokus wieder ins Hier und Jetzt lenken, wird deutlich, dass die verträumte Melancholie, aus der man gerade gerissen wurde, von einer beeindruckenden Ernsthaftigkeit ist, und plötzlich erscheint die ganze stilistische Kleptomanie alles andere als seelenlos. Manche brauchen eben eine Maske für ein echtes Geständnis.

Im weiteren Verlauf wundert man sich über nichts mehr, weder über das orgelschwüle Jahrmarktsfeeling im Triphop-Stück “Got Poetry?”, dessen Text wie aus Versatzstücken montiert erscheint, noch über den psychedelischen Groove im abschließenden “The Sixth Dragonfly”. The Snobs bauen Brücken über so machen Abgrund, und hätte es sie bereits in den 60ern gegeben, wäre Leslie Fiedler ihr größter Fan gewesen. Das gelingt ihnen sicher auch deshalb so gut, weil sie allem Anschein nach Styler und Nerds zugleich sind. Gäbe es den Begriff Tristesse Royal noch nicht, müste man ihn für sie erfinden.

(U.S.)